Herbert Binninger

GESTATTEN: FUSS

von Herbert Binninger

Wer schon unten ist, wird auch noch getreten;
werd‘ oft behandelt, als würd’s mich gar nicht geben.
Der Körperlast ruht ganz auf mir,
ich schufte wie ein armes Tier.

Ich drücke die Kupplung, die Bremse, das Gas,
stampfe mal zornig und tanze mit Spass,
ich laufe Treppen auf und nieder,
geh tausend Schritte – immer wieder.

Ich leist‘ für kargen Lohn!
Wer kümmert sich um mich denn schon?
Fast immer leb ich in Finsternis,
schweissumhüllt, in feuchtem Verliess.

Ganz, ganz oben, direkt unterm Haar,
ist dieselbe Haut, fürwahr!
Die wird nicht getreten und auch nicht geschunden,
mit Düften und Cremen verwöhnt alle Stunden.

Ja, ja, die Unteren Vergessenen, Kleinen,
nun, wenn ich in Leder steck‘, will ich nicht weinen.
Sind meine Treter aus Plastik, oh Graus,
fleh‘ ich bei jedem Schritt: lass mich heraus!

Werd‘ ich zu lange nicht gepflegt,
sind meine Schuhe nicht korrekt,
stellen sich bald Schmerzen ein.
Sag‘, o Mensch, muss dies denn sein?

Zerfetzte Futter, gerissenes Leder,
krumme Sohlen und andere Fehler.
Dies ist mein Dasein Tag für Tag,
mein Leben ist schwer, meist eine Plag‘.

Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert.
Spare tüchtig, Mensch, aber nicht verkehrt.
Ich laufe täglich weit für dich,
denk‘ bitte dran – „vergiss mich nicht!“

Jörg Zink

Das Geschenk eines Tages

Dir sind Kräfte anvertraut.
Vielleicht mehr als anderen. Vielleicht weniger.
Das lass dich nicht kümmern.
Wichtig ist allein, ob du, was du empfangen hast,
in Hingabe wandelst.
Du hast mehr davon in dir, als du glaubst.
Du hast mehr Kräfte als du meinst.
Mehr Phantasie, als du denkst,
du darfst dich nur nicht davor fürchten.
Du hast mehr Liebe zu geben, als du dir zutraust.
Geh also dorthin, wo die Herzen dunkel sind,
wenn du Licht sehen willst.
Auch das Licht, das in dir selbst ist,
das Licht Gottes.

Jörg Zink (aus einem Jahresbegleiter)

Carlo Maria Martini

„Der Leib ist ein Rätsel: Es ist mein Körper, und doch kann ich über ihn nachdenken, als wäre er etwas mir Fremdes. Es scheint, als sprächen aus ihm viele verborgene Stimmen: Stimmen, die mir etwas sagen über mich und darüber, was Leben ist“